Mehr als Naturkosmetik: die anthroposophische Dermatologie

Mehr als Naturkosmetik: die anthroposophische Dermatologie

28. Mai 2025 Seite drucken

Die Anthroposophische Medizin ist nicht nur führend in der natürlichen Hautpflege. Sie geht auch bei der Behandlung von Hautkrankheiten einen integrativen Weg.

Das Wechselspiel von Körper und Psyche tritt kaum woanders so offen zu Tage wie auf der menschlichen Haut. Sie ist effektiv ein «Spiegelbild der Seele». Wir erröten vor Scham oder erbleichen vor Schreck. Eine sichtbar kranke Haut ist ein soziales Handicap. Sie bei seinem Gegenüber wahrzunehmen, weckt den Wunsch nach Distanzierung und kann Antipathie und Ekel provozieren, während die Betroffenen Minderwertigkeitskomplexe und Kontaktängste entwickeln.

Die anthroposophische Dermatologie ist für derartige psychosomatischen Zusammenhänge besonders sensibel. Sie berücksichtigt den seelischen Anteil nicht nur bei der Behandlung einer Hautkrankheit, sondern auch in deren Deutung und Verständnis.

In der Tiefe sind wir Kind

Die menschliche Haut ist ein hochdifferenziertes Organ mit einem schichtigen Aufbau. Von innen nach aussen unterscheidet man die Unterhaut (Subkutis), die Lederhaut (Dermis) und die Oberhaut (Epidermis), wobei man die Epidermis noch einmal in feine Schichten untergliedern kann.

Anatomy of the skin de

Quelle: Wikimedia Commons/Anatomy of the skin

 

In der Tiefe der Haut sind wir Kind, jung, lebendig. Hier ist die Haut im Wachstum begriffen und ständig daran, sich zu erneuern. Dabei wird das locker-faserige Bindegewebe der tiefen Hautschichten durch die starke Wasserbindungsfähigkeit der Hyaluronsäure feucht gehalten.

Umgekehrt altern, vergreisen und sterben wir an der Oberfläche. Von unten drängen die heranreifenden Hautzellen nach oben, verhornen und erleiden den Zelltod. Durch das programmierte Absterben der Zellen bildet sich die dichte, wasserabstossende Schicht der Epidermis (Oberhaut).

Bei der gesunden Haut sind Vitalität und Sterben, Feuchtigkeit und Trockenheit in einem Gleichgewicht. Die Haut ist geschmeidig und fühlt sich samtig und seidig an. Sie ist eine intakte Barriere und vermittelt einem ein gutes Selbstwertgefühl.

Die Altershaut hingegen leidet an chronischer Dehydrierung, vielerlei Ablagerungen sowie einem geringen Unterhautfettgewebe. Ihre abnehmende Fähigkeit, sich zu erneuern und zu reparieren, beeinträchtigt ihre Barrierefunktion.

Viele Hautkrankheiten lassen sich im Hinblick auf den Schichtenaufbau besser verstehen. Gerne greifen wir aus dem Klinikalltag drei Beispiele heraus: Akne, Psoriasis und Neurodermitis.

Neurodermitis

Die Neurodermitis ist die häufigste chronische Hauterkrankung bei Säuglingen und Kindern. Die Haut stellt sich wie vorgealtert dar: Sie ist überaus trocken, gerötet, schuppig und kann ein derbes, ledriges Aussehen annehmen (Lichenifikation).

Gleichzeitig sind das Nerven- und das Immunsystem bei einer Neurodermitis überaktiv. Die Betroffenen leiden unter einem starken bis unerträglichen Juckreiz. Sie haben Entzündungen, die die Barrierefunktion der Haut herabsetzen, so dass vermehrt Keime und Reizstoffe eindringen können. Wie bei Allergien und Asthma (die mit einer Neurodermitis einhergehen können) reagieren die Betroffenen überempfindlich auf normale Umwelteinflüsse.

Wie sehr die Neurodermitis mit dem Nerven-Sinnes-Systems zusammenhängt, zeigt die Tatsache, dass Neurodermitis-Betroffene mit einer Halbseitenlähmung (Hemiplegie) keine Symptome auf der Haut der gelähmten Körperseite entwickeln. Die Neurodermitis tritt also nur auf, wo Informationen fliessen, wo ein seelisch waches Leben stattfindet, das die Haut dann auch spiegelbildlich erkennen lässt.

Mehr noch: Die Neurodermitis ist auch ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Lebens. Dies bestätigen Untersuchungen zur Häufigkeit der Neurodermitis in West- und Ostdeutschland. Vor der Wende hatte die DDR eine deutlich tiefere Neurodermitis-Rate als die alte BRD, aber wenige Jahre nach der Wende haben sich die neuen Bundesländer diesbezüglich an die alten angeglichen, gleichzeitig mit der Angleichung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen.

Die anthroposophische Dermatologie trägt der seelisch-sozialen Dimension der Neurodermitis besonders Rechnung. Zur integrativen Behandlung von Neurodermitis zählen die Beruhigung der Sinne durch eine reizarme Umgebung, Schulungen zur Stressbewältigung sowie künstlerische Therapien. Zusätzlich zur Hautpflege kommen pflanzliche oder mineralische Heilmittel zur Anwendung, die entzündungshemmend wirken, beruhigen oder die mangelnde Abgrenzung stärken.

Psoriasis (Schuppenflechte)

Die Psoriasis bildet den Gegenpol zur Neurodermitis: Hier findet nicht zu wenig, sondern im Gegenteil zu viel Abgrenzung statt. Die Epidermis verdickt sich an beanspruchten Stellen und entwickelt eine panzerartiger Schuppung. Wir sehen bei der Psoriasis einen sehr aktiven Hautstoffwechsel, mit hohem Materialeinsatz zu Regenerations- und Reparaturzwecken. Die Erkrankung betont den Stoffwechselpol.

Dazu passen Körperbau und Psyche. Menschen mit einer Psoriasis sind meist kräftig gebaut, seelisch belastbar und sozial umgänglich, aber neigen zu Trägheit und innerer Ungeduld. Sie leiden weniger an Juckreiz. Zuweilen können neben der Haut auch Finger- oder Zehennägel, Blutgefässe oder Gelenke betroffen sein.

Die anthroposophische Dermatologie setzt bei der Behandlung der Psoriasis vorrangig darauf, den Lebensstil und speziell die Ernährung zu verbessern. Zu meiden sind namentlich schwefelreiche Lebensmittel, Zucker und Alkohol. Oft ist das Körpergewicht zu normalisieren.

Hinzu kommen Bewegungstherapien einschliesslich der Heileurythmie sowie gezielte Heilmittel, etwa die Mariendistel zur Therapie der Leber. Überhaupt sollten die begleitenden Stoffwechselerkrankungen mitbehandelt werden.

Akne

Ebenfalls einen starken Stoffwechselbezug hat die Akne. Sie tritt in der jugendlichen «Gärphase» des Stoffwechsels auf, der sich in der Haut ein Ventil verschafft. Es kommt zu Entzündungen mit Pickeln, Pusteln und Knoten.

Die Akne ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sie kann über die Pubertät hinaus bleibende Narben hinterlassen. Umso wichtiger ist eine sachgemässe Pflege mit milden hautreinigenden Produkten (pH-neutral, nicht austrocknend) und die Verwendung von ölfreiem Make-up.

Bei Akne sollte man auch auf eine gesunde Ernährung achten. Zu reduzieren oder zu meiden sind Milchprodukte insbesondere aus Kuhmilch sowie Zucker, Kartoffelchips und Alkohol. Zu empfehlen sind hingegen Bitterstoffe. Diese kann man sich auch mit pflanzlichen Heilmitteln zuführen.

Pro-Aging und andere Hautpflege-Trends

Überblickt man die aktuellen Trends zur Hautpflege, fällt ein neu geprägter Begriff besonders ins Auge: Pro-Aging. Selbst wenn der Wechsel von Anti-Aging zu Pro-Aging nur ein Marketingeinfall sein sollte, so ist der darin ausgedrückte Mentalitätswandel doch grundsätzlich zu begrüssen. Wie im Schichtenaufbau der Haut zu erkennen, sind wir jung und vital nur in der stoffwechselaktiven Tiefe, aber sterben in der Epidermis. Die Hauptoberfläche besteht aus abgestorbenen Zellen, die kein Pflegeprodukt zu «revitalisieren» vermag.

Es spricht für Pro-Aging, dass der Trend eine positive Einstellung zum Altern vermittelt und den Fokus auf eine sorgfältige, regelmässige Pflege legt, statt zum Kampf gegen Alterserscheinungen anzustacheln. Damit verknüpfen sich weitere interessante Trends wie eine minimalistische Hautpflege mit nur sehr wenigen, aber hochwertigen Produkten (englisch: skinimalism) oder die Neurokosmetik. Neurokosmetika sollen auf die Nervenenden der Haut einwirken und sie veranlassen, Neurotransmitter freizusetzen.

Diese Trends verkörpern an sich noch keinen integrativen Ansatz der Hautpflege. Aber sie nähern sich einer Grundauffassung der anthroposophischen Dermatologie, nämlich dass wir uns beim Thema Haut im Spannungsfeld von Bauch und Kopf bewegen. «Bauch» steht für die unbewussten, autonom ablaufenden Prozesse des Stoffwechsels. «Kopf» für die Funktionszusammenhänge des wachen seelischen Lebens, dessen Anteil im Alter zunehmen darf und zunehmen soll.

Sprechstunde Dermatologie an der Klinik Arlesheim

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gf

Dieser Blogartikel entstand im Rahmen des Vortrags «Hautgesundheit im Fokus - Hautkrankheiten natürlich behandeln» des Gesundheitsforums vom 23.4.2025:
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Autor / Autorin

Text: Patrick Frei, Geprüft von: Philipp Busche, Chefarzt Innere Medizin
Text: Patrick Frei, Geprüft von: Philipp Busche, Chefarzt Innere Medizin
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